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Die Kunst der Meditation
(Jack Kornfield)
Die folgenden Meditationen sind traditionelle, einfache Übungen zur Erweckung eines klaren Geistes und eines weisen, offenen Herzens. Die Kunst der Meditation weist uns den Weg zur Entspannung und ermöglicht es uns, inmitten der Schwierigkeiten und Freuden des Lebens hellwach zu bleiben. Durch sie lernen wir, wie man ungezwungen im gegenwärtigen Augenblick ruht und auf die Phänomene des Lebens mitfühlend anspricht.
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Eine Sitzmeditation
(Jack Kornfield)
Ein wenig Muße und ein Platz, an dem du ungestört bist, sind Vorbedingungen dieser Meditation. Setze dich auf ein Kissen oder einen Stuhl, und nimm dabei eine gerade, aber entspannte Haltung ein. Sitze aufrecht mit der ruhigen Würde eines Königs oder einer Königin da. Schließe sanft die Augen; und nun wende deine wache, ungeteilte Aufmerksamkeit allem zu, das du in dir und um dich herum verspürst. Laß deinen Geist umfassend sein und dein Herz freundlich und weich.
Spüre beim Sitzen deine körperlichen Empfindungen. Achte dann darauf, welche Geräusche und Gefühle, Gedanken und Erwartungen gerade präsent sind. Laß sie alle kommen und gehen, steigen und fallen wie die Wellen des Meeres. Nimm die Wellen bewußt wahr, und ruhe sitzend mitten unter ihnen. Laß dich immer stiller werden.
Spüre im Zentrum all dieser Wellen dein Atmen, deinen Lebensatem. Lenke deine Aufmerksamkeit auf alle spürbaren Anzeichen des Ein- und Ausatmens – wie etwa Kühle oder Prickeln in der Nase oder im Hals, das Sichheben und – senken von Brust oder Bauch. Entspanne dich, und verfolge mit ruhiger Aufmerksamkeit jeden Atemzug: Spüre stetig und zwanglos die Bewegung. Laß den Atem sich selber atmen, egal, in welchem Rhythmus – in langen oder kurzen Intervallen, leicht oder tief. Du spürst nun jeden einzelnen Atemzug; sammle dich und geh in seine Bewegung ein. Laß dabei alle anderen Geräusche und Empfindungen, Gedanken und Gefühle weiter kommen und gehen wie Wellen im Hintergrund.
Es kann sein, daß deine Aufmerksamkeit nach wenigen Atemzügen von einer der Gedanken- oder Erinnerungswellen, von Körperempfindungen oder von Geräuschen mitgerissen wird. Jedesmal wenn du bemerkst, daß du von einer solchen Welle eine Zeitlang mitgerissen wurdest, dann gesteh sie dir ein, und gib ihr jeweils leise einen Namen – etwa „Planen“, „Erinnern“, Jucken“, „unruhig“. Dann laß sie verebben und kehre sanft zum Atem zurück. Manche Wellen werden sehr langsam verebben, andere nach kurzer Zeit. Bestimmte Gedanken oder Gefühle werden quälend sein, andere angenehm. Laß sie von Fall zu Fall sein, was sie eben sind.
Bei manchen Sitzungen wirst du mühelos zu deinem Atem zurückkehren können. Zu anderen Zeiten werden dir in deiner Meditation hauptsächlich Körperempfindungen, Pläne oder Gedanken bewußt werden. Beides ist gleich gut. Egal, was du innerlich erlebst, nimmt es bewußt wahr, laß es kommen und gehen und ruhe gelöst inmitten von alldem. Bleibe so zwanzig bis dreißig Minuten lang sitzen; öffne danach die Augen und blicke um dich; dann steh auf. Sieh zu, daß du beim Weggehen eben jene Einstellung bewußten Gewahrseins beibehältst, und dich von ihr durch die Tätigkeiten deines Tagesablaufs begleiten läßt.
Die Kunst der Meditation ist einfach, aber nicht immer leicht. Mit Übung und einem freundlichen, umfassenden Herzen entwickelt sie sich erfolgreich. Wenn du täglich diese einfache Übung des Sitzens-in-bewußtem-Gewahrsein machst, wirst du nach und nach zentrierter und einsichtsvoller werden.
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Eine Gehmeditation
Wenn du gehst, dann geh einfach nur
(Jack Kornfield)
Die natürliche Mühelosigkeit des Gehens läßt sich unmittelbar und einfach dazu verwenden, Zentriertheit und Frieden in unser Leben zu bringen. Gehen wird zur Meditation, wenn wir zu jedem einzelnen Schritt, den wir machen, eine achtsame, wache Aufmerksamkeit mitbringen. Gehen wird zur Meditation, wenn wir fühlen, daß wir ganz und gar hier auf der Erde sind.
Für das Erlernen der Gehmeditation brauchst du einen Platz von etwa fünfzehn bis dreißig Schritt Länge, um gemächlich auf und ab gehen zu können. Stell dich am einen Ende dieses „Gehwegs“ auf. Spüre deine Füße auf dem Boden, auf der Erde. Empfinde die Umgebung rings um dich. Werden deiner selbst und deiner jetzigen Umgebung bewußt gewahr, bis du dich ruhig und gelassen fühlst. Dann beginne zu gehen. Richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper, und spüre dabei jeden einzelnen Schritt – wie du den Fuß hebst und wieder auf die Erde setzt. Stelle, beim Empfinden jedes einzelnen Schritts, deinen Fuß jedesmal mit Achtsamkeit zurück auf die Erde. Schreite aufrecht, in entspannter, würdevoller Gangart. Wenn du ans Ende deines Weges kommst, halte kurz inne und mach dann kehrt. Zentriere dich, und nimm bewußt den ersten Schritt wahr, wenn du jetzt wieder beginnst. Es gibt keine vorgeschriebene Geschwindigkeit; wähle die, bei der du die größte innere Geistesgegenwart behältst.
Gehe fünfzehn bis zwanzig Minuten lang – mit achtsamer Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen Schritt. Normalerweise werden wir beim Gehen von hundert anderen Dingen abgelenkt. Versuche, beim meditativen Gehen alle aufkommenden Gedanken und Bilder im Hintergrund bleiben zu lassen. Doch selbst dann wirst du regelmäßig von Gedanken mitgerissen werden. Hör in einem solchen Fall einfach auf zu gehen und werde dir deiner Gedanke bewußt. Zentriere dich dann wieder still und mache den nächsten Schritt. Finde auf diese einfache Weise stets von neuem zu deinen Schritten zurück. Manchmal hast du vielleicht Lust zu einer reinen Gehmeditation in der vollen Länge. An anderen Tagen könntest du zehn bis fünfzehn Minuten gehen und anchließend eine Sitzmeditation durchführen.
Nach einiger Übung kannst du lernen, die Gehmeditation zu deiner Beruhigung und inneren Sammlung einzusetzen; sie verhilft dir zu einer wirklichen Präsenz in deinem Körper. Du kannst diese Gehübung in erweiterter, offener Form durchführen, etwa wenn du Einkaufen gehst, die Straße entlang schlenderst oder die Strecke zwischen deinem Wagen und der Haustür zurücklegst. Du kannst lernen, das Gehen an und für sich zu genießen, statt es mit dem üblichen Planen und Denken zu verbinden. Auf diese einfache Art und Weise kannst du wach durchs Leben schreiten – bei völligem Einklang zwischen Körper, Herz und Geist.
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Eine Eßmeditation
Wenn du ißt, dann iß einfach nur
(Jack Kornfield)
Durch die Eßmeditation lernt man, beim Essen aufmerksam auf seine Nahrung und seinen Körper zu achten. Für den Anfänger ist es am leichtesten, wenn er dabei schweigt, obwohl man mit Übung lernen kann, in jeder Lage achtsam zu essen.
Beginne die Eßmeditation, indem du deine Nahrung vor dich hinstellst und ruhig dasitzt. Denke über die Herkunft der Nahrung nach, und sage einen schlichten Dankes- oder Segensspruch, der dir spontan in den Sinn kommt. Dann verhalte dich einige Augenblicke lang still. Sieh dir die Nahrung sorgfältig an. Nimm bewußt deinen Körper und vor allem deine Hungergefühle wahr. Achte darauf, was du dabei empfindest, daß du diese spezielle Nahrung gleich deinem Körper zuführen wirst.
Beginne, langsam zu essen, sobald du dich innerlich ganz präsent und mit dir selbst verbunden fühlst. Mach dir zwanglos entspannt jeden einzelnen Aspekt der Eßtätigkeit bewußt. Nimm bewußt das Heben des Essens zum Mund wahr, das Kauen, das Schmecken, das Schlucken. Achte darauf, ob du dich gehetzt fühlst. Laß dir Zeit, koste sorgfältig jeden einzelnen Bissen. Halte zwischen den Bissen immer einen Augenblick inne. Setze deine Mahlzeit bis zum Ende mit eben dieser auf das Verspeisen der Nahrung gerichteten, achtsamen Aufmerksamkeit fort.
Achte auf den Zeitpunkt, da du anfängst, dich satt zu fühlen. Als erstes sagt dir vielleicht dein Magen, daß er satt ist, auch wenn deine Zunge oder deine Augen noch mehr wollen. Deine Gedanken sagen dir vielleicht, daß du alles auf deinem Teller aufessen sollst oder daß du zuviel ißt. Richte dich möglichst nicht nach diesen gewohnten Impulsen, sondern horche auf deinen ganzen Körper. Laß dich von dieser Aufmerksamkeit leiten Übe dich unter der Woche in dieser Eßmeditation, wann es dir möglich ist. Selbst eine einzige meditativ gegessene Mahlzeit ist eine wunderbare Aktivierung eines von Achtsamkeit geprägten Lebens.
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Meditation in liebevoller Freundlichkeit
(Jack Kornfield)
Vor dem Hintergrund eines liebevollen Herzens wird sich alles, woran wir uns wagen, alles, womit wir konfrontiert sind, erschließen und mühelos in Fluß kommen. Bei der Meditation in liebevoller Freundlichkeit benutzt man kurze Sätze, Vorstellungsbilder und Gefühle, um liebevolle Güte und Wohlwollen gegenüber sich selbst und anderen hervorzurufen. Der Anfänger übt sie am besten täglich fünfzehn bis zwanzig, Minuten lang an einem Platz, wo er ungestört ist.
Sitze in bequemer Haltung da. Laß deinen Körper sich entspannen und Ruhe finden. Laß dein Herz weich sein. Indem du losläßt, was du planst und was dich beschäftigt. Dann beginne, im stillen die folgenden, an dich selbst gerichteten kurzen Sätze aufzusagen. Du beginnst mit dir selbst, weil es nahezu unmöglich ist, andere zu lieben, wenn man sich selbst nicht liebt.
Möge ich von liebevoller Freundlichkeit erfüllt sein.
Möge es mir gut gehen.
Möge ich friedvoll sein und mich wohl fühlen.
Möge ich glücklich sein.
Beim wiederholten Sprechen dieser Sätze kannst du dir vorstellen, du seist ein kleines, geliebtes Kind, oder dich so empfinden, wie du jetzt bist – umfangen von einem liebevoll-freundlichen Herzen. Stimme die Worte und Bilder ganz nach deinen individuellen Erfordernissen aufeinander ab, um genau die Sätze zu entdecken, die am besten dein gütiges Herz erschließen. Wiederhole die Sätze immer wieder, und laß dabei die Gefühle deinen Körper und Geist durchdringen. Übe dich mehrere Wochen in dieser Meditation, bis die liebevolle Freundlichkeit, die du für dich empfindest, stärker wird.
Du mußt dir darüber im Klaren sein, daß diese Meditation zeitweise einen mechanischen oder schwerfälligen Eindruck machen oder gar liebevoller Freundlichkeit widersprechende Gefühle – Gefühle der Verärgerung oder Wut – in den Vordergrund rücken kann. In diesem Fall ist es besonders wichtig, daß du dir gegenüber geduldig und freundlich bleibst und es ermöglichst, daß jegliche aufkommende Regung mit einer Einstellung des Wohlwollens und der freundlichen Zuneigung angenommen wird.
Wenn du spürst, daß sich in dir ein Gefühl der liebevollen Freundlichkeit herausgebildet hat, kannst du deine Meditation erweitern und andere in die gleiche Meditationssitzung mit einbeziehen. Konzentriere dich zunächst auf dich selbst, und wähle dann irgend jemanden aus deinem Leben, dem wirklich etwas an dir liegt bzw. lag. Stell dir diese Person vor, und sage sorgfältig die gleichen kurzen Sätze auf: Möge er/sie von liebevoller Freundlichkeit erfüllt sein, und so weiter. Sobald sich liebevolle Freundlichkeit gegenüber dieser Person entfaltet hat, kannst du dazu übergehen, weitere Menschen, die du liebst, in die Meditation einzubeziehen. Stell sie dir, unter dem Aufsagen der gleichen Sätze, jeweils einzeln vor, und erwecke ihnen gegenüber ein Gefühl der liebevollen Freundlichkeit.
Dann kannst du andere miteinbeziehen: Freunde, Bekannte, Nachbarn, Mensch in aller Welt, Tiere, sämtliche Lebewesen, die ganze Erde. Danach kannst du sogar die schwierigen Personen aus deinem Leben einbeziehen, in dem Wunsche, daß auch sie von liebevoller Freundlichkeit erfüllt sein mögen. In ihrem zwanzigminütigen Verlauf kann sich deine Meditation, ausgehend von dir selbst, geliebten Menschen und allen irdischen Geschöpfen öffnen.
Liebevolle Freundlichkeit kann man überall üben, du kannst diese Meditation in Verkehrsstaus, im Bus und im Flugzeug anwenden. Bei ihrer stillen Ausübung unter Menschen wirst du sofort ein wunderbares Verbundensein mit diesen empfinden – die Kraft liebevoller Freundlichkeit. Sie wird Ruhe in dein Leben bringen und bewirken, daß du mit deinem Herzen verbunden bleibst.
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Vergebungsmeditation
(Jack Kornfield)
Der Akt der Vergebung ist eines de großen Geschenke, des geistigen Lebens. Er ermöglicht es uns und allen Menschen, von den Leiden der Vergangenheit erlöst zu werden. Vergebung ist ein Akt des Herzens, ein inneres Bestreben, den Groll und die Empörung loszulassen, die wir schon zu lange mit uns herumtragen. Sie lindert die Schmerzenslast in unserem Herzen. Zu vergeben bedeutet nicht, daß wir über die Untaten eine anderen stillschweigend hinwegsehen oder ihre etwaige Wiederholung dulden werden. Als Vergebende bekennen wir uns dazu, daß wir keinen von unseren Mitmenschen aus unserem Herzen verdrängen werden, ganz gleich wie sehr wir seinetwegen gelitten haben mögen. Wir alle wurden und werden verletzt, so wie wir alle zeitweise uns selbst und andere verletzen.
Für die meisten ist Vergebung ein Prozeß. Das Werk der Vergebung durchläuft viele Stadien, während deren du womöglich Elend, Zorn, Kummer, Angst und Verwirrung empfindest. Wenn du dir spürbar den Schmerz vergegenwärtigst, den du mit dir herumträgst, erweist sich die Vergebung schließlich als wohltuende Erleichterung, als Erlösung für dein Herz. Du wirst erkennen, daß die Vergebung in erster Linie dir selbst zugute komt; daß sie ein Weg ist, den Schmerz der Vergangenheit loszulassen.
Nun zur Durchführung der Vergebungsmeditation: Nimm eine bequeme Sitzhaltung ein und laß dabei die Augen zufallen und den Atem natürlich und leicht gehen. Laß Körper und Geist sich entspannen. Laß dich, indem du sanft in Richtung Herzgegend atmest, all die Barrieren, die du errichtet hast, empfinden und die Gefühle, die du mit dir herumträgst, weil du nicht vergeben hast – dir nicht und anderen nicht. Laß dich den schmerz empfinden, der vom Verschlossenhalten deines Herzens kommt. Beginne dann, unter sanftem Atmen, um Vergebung zu bitten und Vergebung zu erteilen, indem du die folgenden Worte rezitierst und die dabei aufsteigenden Bilder und Gefühle während der Wiederholung der Worte intensiver werden läßt.
VERGEBUNG VON ANDEREN. Auf vielerlei Weise habe ich anderen Schaden zugefügt und sie verletzt, habe sie verraten oder im Stich gelassen und ihnen, wissentlich oder unwissentlich, aus eigenem Schmerz, eigener Angst, Wut und Verwirrung Leid bereitet. Ruf dir ins Gedächtnis zurück und stell dir lebhaft vor, auf welcher Weise du andere verletzt hast. Erkenne und fühle den Schmerz, den du aus eigener Angst und Verwirrung verursacht hast. Empfinde deinen eigenen Kummer, dein eigenes Bedauern. Spüre, daß du endlich diese Last loswerden und um Vergebung bitten kannst. Vergegenwärtige dir jede einzelne Erinnerung, die dir noch immer das Herz belastet. Und dann wiederhole gegenüber jeder Person, die dir in den Sinn kommt: Ich bitte dich um Vergebung, ich bitte dich um Vergebung.
VERGEBUNG FÜR DICH SELBST. Auf vielerlei Weise habe ich mir selber Schaden zugefügt und mich verletzt. Viele Male habe ich mich, wissentlich und unwissentlich, durch Gedanken, Worten oder Taten verraten oder im Stich gelassen. Fühle deinen eigenen kostbaren Körper, dein kostbares Leben. Laß dich erkennen, auf welche Weise du dir jeweils Schaden zugefügt oder dich verletzt hast. Erinnere dich an alle Fälle, und stell sie dir lebhaft vor. Fühle den mannigfaltigen Kummer, den du aufgrund dessen mit dir herumträgst, und spüre, daß du diese Lasten loswerden kannst. Erteile nacheinender für jede einzelne Vergebung. Wiederhole dir selbst gegenüber: Für all die Fälle, in denen ich mir aus Angst, Schmerz und Verwirrung durch Handeln oder Nichthandeln Schaden zugefügt habe, erteile ich hiermit uneingeschränkte und tiefempfundene Vergebung. Ich vergebe mir, ich vergebe mir.
VERGEBUNG FÜR JENE, DIE DIR SCHADEN ZUGEFÜGT ODER DICH VERLETZT HABEN. Auf vielerlei Weise bin ich von anderen in Gedanken, Worten oder Taten wissentlich oder unwissentlich geschädigt, beleidigt oder im Stich gelassen worden. Ruf dir alle einzelnen Fälle ins Gedächtnis zurück, und stell sie dir lebhaft vor. Fühle den mannigfaltigen Kummer, den du aufgrund dieser Vergangenheit mit dir herumträgst, und spüre, daß du diese Schmerzenslast loswerden kannst, indem du Vergebung erteilst, sobald dein Herz bereit ist. Nun sag zu dir: Ich erinnere mich jetzt an all die Fälle, in denen mir andere aus Angst, Schmerz, Verwirrung oder Wut Schaden zugefügt oder mich verletzt, mich gekränkt haben. Ich trage diesen Kummer schon zu lange in meinen Herzen Soweit ich innerlich bereit bin, erteile ich ihnen Vergebung. Jenen, dir mir geschadet haben, spreche ich meine Vergebung aus, ich vergebe euch.
Laß dich diese drei Vergebungsformen sanft wiederholen, bis du in deinem Herzen eine Befreiung empfindest. Hinsichtlich einiger großer Schmerzen empfindest du möglicherweise keine Befreiung, sonder nur die Belastung und die Qual oder Wut, die du gehabt hast. Bring dich behutsam in Berührung damit. Habe Nachsicht mit dir, daß du noch nicht bereit bist loszulassen, und mach weiter. Vergebung kann man nicht erzwingen; sie darf nicht künstlich sein. Setze einfach die Übung fort, und laß die Worte und Bilder nach und nach auf ihre eigene Weise wirken. Im Lauf der Zeit kannst du die Vergebungsmeditation zu einem regulären Bestandteil deines Lebens machen: in ihr läßt du die Vergangenheit los und öffnest dein Herz jedem neuen Augenblick mit verständiger liebevoller Freundlichkeit.
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Mitgefühlsmeditation
(Jack Kornfield)
Das menschliche Herz hat die außergewöhnliche Fähigkeit, die Leiden des Lebens zu umfangen und sie in einen großen Strom des Mitgefühls umzuwandeln. Das Mitgefühl ist die Regung der Anteilnahme, Freundlichkeit und Güte – die Antwort auf die Bedrängnis eines jeden lebenden Wesens. Das Mitgefühl entsteht, wenn du zuläßt, das dein Herz vom Schmerz eines anderen berührt wird.
Und so kultivierst du dein Mitgefühl: Komm still dasitzend und zentriert zur Ruhe. Atme sanft und spüre deinen Körper, deinen Herzschlag, das Leben in dir. Empfinde, wie du dein eigenes Leben wertschätzt, wie du dich angesichts deiner Leiden schützt. Ruf dir nach einiger Zeit jemand dir Nahestehenden ins Bewußtsein, den du aufrichtig liebst. Stell dir diese Person lebhaft vor, und fühle dein Interesse an ihr. Nimm deutlich wahr, wie du sie mit dem Herzen umfangen kannst. Dann mach dir ihre Leiden bewußt, ihr Maß an Leid im Leben. Empfinde, wie dein Herz sich spontan öffnet und sich auf sie zubewegt, um ihr Gutes zu wünschen, Trost zu spenden, ihren Schmerz zu teilen und ihr mitfühlend zu begegnen.
Das ist die natürliche Anwort des Herzens. Gehe nun im Einklang damit dazu über, der betreffenden, von deinem mitfühlenden Herzen umfangenen Person Gutes zu wünschen, indem du die kurzen Sätze rezitierst: Mögest du frei von Schmerz und Kummer sein, mögest du in Frieden sein.
Wenn du gelernt hast, dein inniges Interese an diesem dir nahestehenden Menschen zu empfinden, dann wende dein mitfühlendes Herz dir selber zu. Rezitiere eine Zeitlang die Sätze: Möge ich frei vom Schmerz und Kummer sein, möge ich in Frieden sein. Schenke dann anderen, dir vertrauten Personen dein Mitgefühl und zwar jeweils nur einer. Stell dir die von dir geliebten Menschen jeweils einzeln lebhaft vor. Umfange das Bild eines jeden mit deinem Herzen; mach die ihre Schwierigkeiten bewußt, du wünsche einem nach dem anderen Gutes: Mögest du frei von Schmerz und Kummer sein, mögest du in Frieden sein. Daraufhin kannst du dein Mitgefühl stufenweise weiter öffnen – deinen Nachbarn sowie all jenen, die weiter entfernt von dir leben, und schließlich dem geschwisterlichen Verband aller lebenden Wesen.
Laß dich empfinden, wie du dir die Schönheit jedes Wesens Freude bereitet und wie dich das Leiden jedes Wesens zum Weinen bringt. Empfinde dein weichherziges Verbundensein mit der Ganzheit des Lebens und seinen Geschöpfen; empfinde, wie es sich zusammen mit deren Leid bewegt und sie mitfühlend umfängt.
Laß nun dein Herz zum Umwandler für die Leiden der Welt werden. Spüre deinen Atem in der Herzgegend, als ob du mit dem Herzen sanft ein- und ausatmen könntest. Empfinde die Freundlichkeit und Güte deines Herzens, und stelle dir vor, daß du mit jedem Atemzug den Schmerz anderer berühren und Mitgefühl ausatmen kannst. Wünsche mit jedem Ausatmen allen lebenden Wesen Gutes, und biete ihnen dein fürsorgliches, mitleidsvolles Herz dar. Sitze dann nach einiger Zeit still da, und laß deinen Atem und dein Herz als ein Zentrum des Mitgefühls inmitten der Welt auf natürliche Weise ausruhen.
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Die vier Stufen der meditativen Versenkung
(Majjhima-Nikaya)
1). Der Meditierende löst ich ab von dem Verlangen nach Sinnesgenüssen und von unheilsamen Regungen und erreicht die mit Nachdenken und Überlegen verbundene, aus der Ablösung entstandene, von Freude und Wohlbehagen erfüllte erste Stufe der Versenkung und bleibt darin.
2). Dann bringt er das Nachdenken und Überlegen zur Ruhe, in seinem Inneren wird es still, sein Geist ist auf einen einzigen Gegenstand gerichtet, und so erreicht er die aus der Geistessammlung entstandene, von Nachdenken und Überlegen freie, von Freude und Wohlbehagen erfüllte zweite Stufe der Versenkung und bleibt darin.
3). Wenn dann die freudige Erregung abgeklungen ist, bleibt er gleichmütig, andächtig und wissensklar und empfindet körperlich ein Wohlbehagen, von dem die Edlen sagen: Bei Gleichmut und Andacht fühlt man sich beglückt. So erreicht er die dritte Stufe der Versenkung und bleibt darin.
4). Dann geht er über Wohlbehagen und Mißbehagen hinaus, auch die Erinnerung an frühere frohe und trübe Stimmungen schwindet dahin, und er erreicht die über Wohlbehagen und Mißbehagen erhabene vierte Stufe der Versenkung, bei der Gleichmut und Andacht in höchster Reinheit bestehen, und bleibt darin.
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Sei bei dir
(Markus Allen)
Eine sehr wirkungsvolle Form schöpferischer Meditation ist, sich einfach den Einfällen, Phantasien und Impulsen zu öffnen, die dir kommen, wenn du allein bist – ob du nun gerade läufst, sitzt, spielst oder auch etwas anderes machst …
Nimm dir Zeit um bei dir zu sein. Nimm dir Zeit, einfach dazusitzen und nichts zu tun …
Nimm dir einfach ab und zu die Zeit, ruhiger zu werden und zu entspannen. Setze dich zu einer Pflanze, unter einen Baum … Leg dich hin, schau den Wolken nach, wie du es als Kind immer gemacht hast … Beobachte den Lauf eines Flusses … schau einer Blume zu, wie sie wächst … dann siehst du dein Leben dahinfließen … du siehst dich selbst wachsen … und du siehst das Leben … und du erweckst dein intuitives Verstehen …
Schau in den klaren Nachthimmel hinauf … Wenn du eine Milliarde Lichtjahre weitsehen kannst … Dann kannst du Unendlichkeit erkennen … jenseits des Lächelns und der Tränen …
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Erdung und Energiefluß
(Shakti Gawain)
Durch diese Meditation bleibt in mir das Gleichgewicht zwischen der kosmischen Energie (Vision, Phantasie, Imagination) und der stabilen erdigen Energie auf der körperlichen Ebene erhalten, ein Gleichgewicht, das mein Wohlbefinden steigern und die Kraft zu manifestieren stärken wird.
Ziel ist, meine Energie zum Fließen zu bringen, alle Blockierungen aufzulösen und sicherzustellen, daß ich fest mit der physischen Ebene verbunden bleibe, um während der Meditation nicht abzuheben.
Ich sitze bequem im Stuhl oder Schneidersitz auf dem Fußboden, schließe die Augen, atme langsam und tief, zähle von 10 bis 1, bis ich mich tief entspannt fühle.
Ich denke mir eine lange Schnur, die am unteren Teil der Wirbelsäule festgemacht ist und durch den Fußboden hindurch bis rief ins Erdinnere hineinreicht – wie eine Baumwurzel, die sehr weit in den Boden hineingewachsen ist, das ist die Erdungsschnur.
Nun stelle ich mir vor, daß die Energie der Erde durch diese Schnur hochfließt (durch meine Fußsohlen, wenn ich im Stuhl sitze) und weiter durch meinen ganzen Körper strömt und schließlich ganz oben aus meinem Kopf heraustritt.
Ich stelle mir das so lange vor, bis ich wirklich den Fluß spüren kann.
Jetzt spüre ich, die die Energie des Kosmos von oben in meinen Kopf strömt, durch meinen Körper und meine Erdungsschnur, bis hinunter zu den Füßen und in die Erde.
Ich fühle, wie die Energie in beide Richtungen fließt und in meinem Körper wie von selbst zu einer harmonischen Einheit wird.
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Die Tore schließen
(Markus Allen)
Dies ist eine Übung, die eine tiefe Wirkung haben kann, wenn du es zuläßt.
Sitze bequem mit gerader Wirbelsäule. Entspanne. Schließe die Augen, mache in rhythmischen Abständen mehrere Atemzüge und entspanne dich mit jedem Atemzug mehr. Führe dann die Hände zum Gesicht, die Handflächen zu dir gerichtet.
Lege den linken Daumen aufs linke Ohr und den rechten Daumen aufs rechte Ohr, um so Geräusche möglichst gut abzuhalten. Lege die Zeigefinger auf die Augenlider, um so Licht von außen möglichst gut abzuhalten. Nimm dann einen tiefen Atemzug und verschließe die Nasenlöcher mit den Mittelfingern. Lege danach noch Ringfinger und kleine Finger auf den Mund.
Du hast jetzt „die Tore geschlossen“. Sitze in Stille und sei achtsam. Wenn du atmen mußt, nimm die Finger, die die Nase zuhalten, weg und atme, während du mit den anderen Fingern die Tore geschlossen hältst.
Für gewöhnlich versuche ich, die Ergebnisse einer Übung nicht zu genau zu beschreiben, da jeder andere Erfahrungen macht. Bei dieser Übung hatte ich aber so eine bemerkenswerte Erfahrung: „Die Wirkung war wunderbar. Ich tauchte in einen weiten inneren Raum – so weit wie der Ozean. Plötzlich gab es ganz neue Welten zu entdecken … Welten, von denen ich geträumt hatte, als ich noch ein Kind war, die ich aber vergessen hatte … verzauberte Welten … geistige Welten, vom Geist im Nu geschaffen.“
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Schöpferische Meditation
(Markus Allen)
Die Wirksamkeit schöpferischer Meditation veranschaulicht die Tatsache, daß jedes Bild oder jeder Glaube, der in unserem Unterbewußtsein vorhanden ist, sich für uns in der Welt manifestieren wird. Wenn wir uns z.B. immer wieder sagen, daß wir Löcher in den Zähnen bekommen wenn wir weißen Zucker essen, dann bekommen wir auch Löcher. Wenn wir uns einreden, daß wir etwas nicht können, dann werden wir auch nicht fähig sein, es zu tun. Und wenn wir uns sagen, daß es uns gelingt, unsere Träume zu verwirklichen, dann gelingt es uns auch.
Unser Körper und unser Leben sind das Ergebnis der Konditionierung, die wir auf tiefen, unterbewußten Ebenen akzeptiert haben. Es ist nicht schwierig, auf unsere unterbewußten Gedankenabläufe einzuwirken und sie sogar tiefgreifend zu verändern. Man benötigt dazu nur die Kraft immer wieder angewandter Aussagen und Visualisationen.
Gibt es etwas in deinem Leben, was du ändern möchtest, etwas, womit du unzufrieden bist, dann mach einmal eine schöpferische Meditation wie die folgende. Mache es drei Wochen lang – dann hast du Aussicht auf Erfolg. Das, was du dir wünscht, erfordert vielleicht konzentriertes Handeln in der Welt – zusätzlich zu deiner Meditation – sehr wenige Menschen haben zum Beispiel Reichtümer erworben, indem sie nur ruhig sitzenblieben, es visualisierten und sonst nichts taten. Doch wenn du diese Art schöpferischer Meditation machst, wirst du Führung von deinem eigenen intuitiven Meister erhalten – Anleitungen, die dir genau sagen, was notwendig ist, um das zu erreichen, was du dir wünscht.
Mache folgende Meditation – und bleibe offen für die Einfälle und Anregungen, die du daraufhin bekommst.
Mach´s dir bequem … entspanne … Mach einen tiefen Atemzug und sage dir beim Ausatmen: „Mein Körper entspannt sich jetzt“. Mach einem weiteren tiefen Atemzug und sage dir beim Ausatmen: „Mein Geist ist jetzt entspannt“ Mach noch einen tiefen Atemzug und sage dir beim Ausatmen: „Ich lasse alles gehen.“
Visualisiere, stell dir genau vor, was du dir erschaffen willst … Sieh und spür dich, wie du es tust, bist oder hast, so klar und detailliert wie möglich. Spüre, wie alle Hindernisse sich auflösen.
Erfinde Aussagen, die deinem Unterbewußtsein mitteilen, daß du es verdient hast und daß du es hast, hier und jetzt. Genieße für eine Weile, es zu haben. Bedanke dich dafür.
Beende die Meditation, indem du dir selbst sagst: „dies oder etwas Besseres wird sich jetzt zum Besten aller Beteiligten manifestieren, auf vollkommen zufriedenstellende und harmonische Art und Weise. So soll es sein. So ist es“.
Mach diese Meditation so oft, daß du sie den ganzen Tag über bei dir trägst. Gib immer wieder deine Energie hinein. Zuerst wirst du vielleicht einfach eine Veränderung spüren, ohne in der äußeren Welt etwas wahrzunehmen. Dann hast du vielleicht einen Einfall, denkst daran, etwas zu tun, mit jemandem Verbindung aufzunehmen, was auch immer. Und schon bald, mit Hilfe wiederholter Visualisation – lange genug wiederholt, damit das Unterbewußtsein es aufnehmen und sich vorbereiten kann – werden sich glückliche Umstände für dich ergeben, und du wirst erreichen, was dein Herz begehrt hat.
Ich bin auf jeden Fall nicht der erste, der das sagt. Viele Lehrer und Schriftsteller aus aller Welt sagen schon seit Jahrhunderten: „Bitte und du wirst es erhalten.“
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Lichtsäule
(Markus Allen)
Das ist eine 15-Minuten Übung, die Körper und Geist darauf vorbereitet, über alle eingebildeten Begrenzungen hinauszugehen:
Sitze bequem … entspanne … (immer wenn du in diesem Text mehrere Punkte liest, halte inne … und laß dir Zeit, es aufzunehmen). Schließe die Augen, mach einige tiefe Atemzüge und entspanne noch tiefer … Genieße dieses Gefühl – es tut sehr gut, sich tief zu entspannen … Stell dir jetzt vor, daß deine Wirbelsäule eine schöne, schimmernde, blaue Energiesäule ist … Energie fließt hinauf und hinunter, leuchtend und heilend … löst alle Spannungen …
Die Säule ist nach unten offen – am Ende deiner Wirbelsäule (oder an deinen Fußsohlen, wenn du liegst). Durch diese Öffnung fließt die Energie tief in die Erde … und die Erde schickt Energie aus den Tiefen durch diese Öffnung – direkt vom Mittelpunkt der Erde … Spüre, wie diese Energie durch dich hindurchfließt, dich „erdet“ … Bist du einmal geerdet, kannst du so hoch hinaufsteigen, wie du willst, und du brauchst dich vor nichts mehr zu fürchten …
Die Säule ist auch nach oben offen … sie öffnet sich ins Universum – unsere Verbindung mit dem Kosmos …
Da ist eine schimmernde, hohe, elektrische Energie, die wir tatsächlich spüren und die wir, wenn wir wollen, durch unsere Wirbelsäule fließen lassen können und oben wieder hinaus …
Stimm dich ein … ganz sanft, eine warme, schimmernde Lichtenergie unter der Schädeldecke … das „Kronenchakra“ … Verbindung mit der unendlichen Intelligenz …
Wir sind ein Mikrokosmos – eins mit dem Makrokosmos.
Wir sind Kinder der Erde und Kinder des Lichts.
Spüre, wie eine heilende Energie durch deinen Körper fließt …
Spüre, wenn du einatmest, wie die Energie die offene Wirbelsäule hochsteigt … spüre, wie sie nach oben steigt und sich mit der Energie des Universums vereint …
Spüre, wenn du ausatmest, wie sie auf dich herabfällt, ein wunderbarer goldener Lebensquell … spüre, wie er durch dich hindurch und wieder zurück in die Erde fließt … dich reinigt, mit Licht erfüllt und alle Hindernisse beseitigt …
Wiederhole dies mehrere Male und stell dir vor, daß, wenn du einatmest, eine lebendige, heilende, leuchtende, spirituelle Feinenergie die Wirbelsäule hochsteigt, bis hinauf, durch deinen Kopf …
Stell dir vor, daß diese Energie, wenn du ausatmest, deinen ganzen Körper benetzt in einem Lichtquell …
Und wenn du einatmest, sammelt sich das Licht unter dir und steigt wieder durch dich auf … wenn du ausatmest, rieselt es wieder auf dich herab, in einer Pyramide goldenen, heilenden Lichts.
Dieses Licht ist ein Geschenk für dich von deinem höheren Selbst.
Entspanne dich … genieße es … laß dich davon bescheinen. Es heilt und klärt dein ganzes Wesen. Und du kannst mit deiner Vorstellungskraft diese Lichtenergie jedem schicken, jedem der Heilung oder Segen benötigt. Erhebe einfach deine Hände, die Handflächen nach außen, und visualisiere, daß du jemandem diese heilende Energie schickst, die durch dich hindurchfließt. Sieh, wie er darin eintaucht … spüre, wie er dadurch geheilt wird … sieh ihn vollkommen gesund.
Atme am Ende deiner Meditation tief durch. Genieße Frieden und Gelassenheit deines entspannten Körpers.
Dein Körper ist eine Lichtsäule.
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Visualisierungsübung
(Bek/ Pullar)
In Ihrer Imagination halten Sie einen klaren Kristall in Ihren Händen. Sie sehen darin einen blauen See, auf seiner Oberfläche schwimmen Seerosen. Während Sie sie anschauen, beginnen die Seerosen, sich mehr und mehr zu öffnen, sie sehen bis in ihr Inneres. Ihr Blickwinkel weitet sich, Sie nehmen nun auch gleichzeitig Bäume und einen Pfad wahr, der sich durch sie hindurchschlängelt. Sie gehen diesen Pfad entlang und nehmen die Bäume zu beiden Seiten bewußt wahr.
Nach einer Biegung sehen Sie in einiger Entfernung ein weißes Gebäude, dem Sie sich schnell nähern. Sobald Sie soweit sind, gehen Sie bis zur Eingangstür. Warten Sie darauf, daß sie sich öffnet, und sammeln Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit. Treten Sie ein. Als nächstes gelangen Sie in einen warmen Raum, von dem gute Schwingungen ausgehen. Es befinden sich mehrere Personen darin, die sich strecken, dehnen und entspannen. Sie fühlen sich sofort wohl, legen sich hin und beginnen ebenfalls, sich zu dehnen, zu entspannen.
Wenn Sie das Gefühl haben, es ist genug, erheben Sie sich und betreten den nächsten Raum. Die hier Anwesenden sind in tiefe Sammlung versunken, sie erfühlen ihre Körper, ihre Körperfunktionen. Setzen Sie sich zu ihnen; stimmen Sie sich auf Ihren eigenen Körper ein, beobachten Sie ihn und hören Sie auf seinen Klang. Üben Sie eine Weile.
Nach einer gewissen Zeit erscheint eine Gestalt in einem weißen Gewand und verteilt diverse Gegenstände an die Anwesenden – Steine, Edelsteine, Blumen. Sie sollen Ihren Geist darauf richten. Betrachten Sie Ihren Gegenstand, versenken Sie sich in seinen Anblick, versuchen Sie, seine Eigenschaften zu spüren. Ab einem bestimmten Punkt vertieft sich der Kontakt, und Sie spüren, wie sich ein Gefühl der Affinität entwickelt. Während dieser Übung gibt es nur diesen Gegenstand, keinerlei Gedanken an irgend etwas anderes.
Beenden Sie nun diese Übung, und begeben Sie sich in ein anderes Zimmer. Die hier Anwesenden entspannen sich, sie üben vor allem die Entspannung des Herzchakra. Setzen Sie sich, und entspannen Sie sich. Vergewissern Sie sich, daß alle Spannung in den Händen aufgelöst ist; Schultern, Hüfte und Beine fühlen sich locker und warm an. Entspannen Sie einfach, und lassen Sie ein Gefühl des Friedens Sie durchdringen.
Sie sehen einen Treppenaufgang. Sie steigen hinauf und betreten ein anderes Zimmer. Hier wird die Lenkung und Kontrolle der Energieströme geübt – wie man sich erdet, wenn zuviel Energie zum Scheitel strömt; wie man sie richtig aufwärts lenkt und auch wieder zurückschickt.
Schauen Sie sich alles an, und dann suchen Sie Ihre eigene Kammer. Hier können Sie alles sein; Sie brauchen keine Formen zu bilden, Sie können Teil der kosmischen Energie werden. Beim Betreten dieser Kammer spüren Sie, daß Sie nicht mehr in Ihrem Körper eingeschlossen sind. In dieser Kammer kann sich Ihr höheres Selbst manifestieren, Sie können sich mit ihm vereinen. Die Vorstellung davon bleibt Ihnen überlassen; es könnte zum Beispiel die Begegnung mit einem Freund sein, der Sie mit Liebe überhäuft. Sie empfinden nichts als Frieden.
Nehmen Sie nun eine Kerze, und stellen Sie sie an eine Stelle in Ihrem Zimmer, die sie besonders geschmückt haben, auf einen kleinen Tisch etwa, auf dem eine duftende Blume steht. Denken Sie nun an alle, die Sie gesund und glücklich sehen möchten.
Versuchen Sie schließlich, einige der Aspekte Ihres höheren Selbst zu verinnerlichen. Beobachten Sie, was auf Sie zukommt, vielleicht ist es einfach nur ein Gefühl des Wohlergehens.
Kehren Sie nun langsam in Ihren Körper zurück. Wenn Sie möchten, gehen Sie denselben Weg zurück, die Treppen hinunter, zum Pfad und dem Kristall. Dehnen Sie sich ausgiebig, und reiben Sie Hände und Füße.
*
Energiezentren öffnen
(Markus Allen)
Sitze bequem am besten mit gerader Wirbelsäule. Oder liege ganz flach, wenn dir das lieber ist. Mache es dir ganz bequem und entspanne …
Stell dir vor, daß über deinem Kopf ein Licht ist, das deinen Kopf berührt – eine leuchtende, glühende Kugel spiritueller Lichtenergie. Stell dir vor, daß dieses Licht den ganzen Bereich deiner Schädeldecke entspannt, beruhigt und heilt … Atme mehrere Male tief in diesen Bereich … Spüre, wie der Atem öffnet, reinigt, befreit und die Energie frei zirkulieren läßt …
Spüre, wie das Licht jetzt in dein Gehirn fließt … Schau mit geschlossenen Augen in das strahlende Licht zwischen deinen Brauen, in dein drittes Auge … Stell dir vor, daß eine leuchtende, glühende Kugel spiritueller Energie deinen ganzen Kopf ausfüllt und nach außen strahlt … Stell dir vor, daß dieses Licht den ganzen Bereich entspannt, beruhigt und heilt … Atme mehrere Male tief in deinen Kopf … Spüre, wie der Atem öffnet, reinigt und die Energie frei zirkulieren läßt …
Spüre, wie das Licht jetzt wieder tiefer geht und sich in deiner Kehle sammelt … Stell dir eine leuchtende, glühende Kugel spiritueller Energie vor, daß dieses Licht den ganzen Bereich der Kehle entspannt, beruhigt und heilt … Atme mehrere Male tief in diesen Bereich … Spüre, wie der Atem öffnet, reinigt und die Energie frei zirkulieren läßt …
Spüre, wie das Licht jetzt wieder tiefer geht und sich in deinem Herzen sammelt … Stell dir eine leuchtende, glühende Kugel spiritueller Energie vor, die aus deinem Herzen heraus strahlt … Stell dir vor, daß dieses Licht den ganzen Herzbereich und die Lungen entspannt, beruhigt und heilt … Atme mehrere Male tief in diesen Bereich … Spüre, wie der Atem öffnet, reinigt und die Energie frei zirkulieren läßt … öffne dein Herz!
Spüre, wie das Licht jetzt wieder tiefer geht und sich im Solarplexus und im Bauch sammelt … Stell dir eine leuchtende, glühende Kugel spiritueller Energie vor, die aus dem Solarplexus und dem Bauch heraus strahlt … Stell dir vor, daß dieses Licht den gesamten Bereich des Solarplexus und des Bauches einschließlich der inneren Organe, die sich dort befinden entspannt, beruhigt und heilt … Atme mehrere Male tief in diesen Bereich … Spüre, wie der Atem öffnet, reinigt und die Energie frei zirkulieren läßt …
Spüre, wie das Licht jetzt wieder tiefer geht und sich in deinen Geschlechtsorganen sammelt … Stell dir eine leuchtende, glühende Kugel spiritueller Energie vor, die durch diesen ganzen Bereich strahlt … Stell dir vor, daß dieses Licht die Geschlechtsorgane entspannt, beruhigt und heilt … Atme mehrere Male tief in diesen Bereich … Spüre, wie der Atem öffnet, reinigt und die Energie frei zirkulieren läßt …
Spüre, wie das Licht jetzt wieder tiefer geht und sich am untersten Ende der Wirbelsäule (wenn du sitzt) oder in den Füßen (wenn du liegst) sammelt … Stell dir eine leuchtende, glühende Kugel spiritueller Energie vor, die durch den gesamten Bereich strahlt … Stell dir vor, daß dieses Licht den gesamten Bereich entspannt, beruhigt und heilt … Atme mehrere Male tief in diesen Bereich … Spüre, wie der Atem öffnet, reinigt und die Energie frei zirkulieren läßt …
Spüre, wie jetzt das Licht durch alle Energiezentren strahlt und fließt … Spüre die Kraft des Lichts … Werde dir bewußt, daß dieses Licht jedes Zentrum, das erschöpft oder blockiert ist, aufladen kann … Und nimm dir jetzt die Zeit, deine Energiezentren wieder aufzuladen …
Erforsche, ob du in irgendeinem Bereich Spannung spürst. Wenn dies der Fall ist, schicke das Licht dorthin und atme hinein. Wenn du willst, kannst du dir dabei sagen: „Ich lockere mich … ich entspanne mich … ich lasse jegliche Spannung und alle Blockierungen gehen …“
Konzentriere das Licht auf jeden gewünschten Bereich … atme hinein, solange du möchtest … Öffne alle Energiezentren! …
Hast du erst einmal damit begonnen, diese Energiezentren zu erfahren, kannst du lernen, die Energie zu lenken, wohin du willst. Du bist nicht länger auf die Gnade übermächtiger Kräfte angewiesen, ob du sie nun als äußerlich oder innerlich empfindest. Du bist Herr deiner selbst – du kannst entscheiden, worauf du deine Energie richten willst. Du kannst den Kurs des Schicksals bewußt steuern. Unbewußt tust du es schon, also kannst du es genauso gut bewußt tun.
Eine Meditation über unsere drei Körper
(Markus Allen)
Der erste Körper ist der physische Körper – der Körper, den wir mit unseren fünf äußeren, physischen Sinnen sehen, spüren und berühren können. Das ist die physische Ebene (im tibetischen Buddhismus Nirmanakaya genannt):
Sitze, entspanne dich und stimme dich auf deinen physischen Körper ein … Verfolge deinen Atem, deinen Herzschlag … Erkenne, wie dein Körper ohne Mühe für sich selbst sorgt, immer heilend und erneuernd. Es gibt nichts, was wir an unserem physischen Körper ablehnen sollten. Er ist ein Wunderwerk der Schöpfung.
Der zweite Körper ist sehr leicht und schillernd – ein Körper, geschaffen von unseren Gedanken und Gefühlen, ob bewußt oder unbewußt. In den westlichen Traditionen wird er oft Astralleib genannt (und Sambhogakaya im Buddhismus):
Sitze, entspanne und stimme dich auf deinen Astralkörper ein … Der Astralleib ist der Körper, den wir mit den feineren, inneren Sinnen unserer Vorstellungskraft, unserer inneren Vision und anderen intuitiven Sinnen, wie zum Beispiel den Gefühlen, erschaffen … Es ist der Körper, den wir für uns selbst, mit dem geistigen Auge erschaffen können – er ist es, der uns befähigt, all das, was wir uns wünschen, in unserer Vorstellung zu erschaffen …
Es ist auf dieser Ebene der Vorstellungskraft und inneren Schau, wo Magie stattfindet … wo die Dinge, die wir uns wünschen, Form annehmen … auf der astralen Ebene ist es, wo Schöpfung stattfindet – bevor sich etwas auf physischer Ebene manifestiert, muß es erst auf astraler Ebene erschaffen werden …
Spiele wie ein Kind mit deinem Astralleib. Reise in Gedanken, wohin du willst. Schaffe dir jede Lebensweise, die du dir wünscht. Gib dir vollkommene Freiheit.
Stell dir vor, daß du rundum gesund, stark und schön bist. Stell dir vor, daß du genau das machst, wovon du immer träumst. Schaffe im Geist mit einem entspannten Körper alles, was dein Herz begehrt …
Beachte, wie du dich am Ende deiner Astralreise fühlst. Die astrale Ebene ist weit mehr als „pure Einbildung“, welche keine Auswirkung auf die physische Welt hat. Es ist schöpferische Vorstellungskraft, denn sie erschafft buchstäblich die Formen auf einer subtilen Ebene, und diese manifestieren sich mit der Zeit, wenn wir ausdauernd sind, auf der physischen Ebene.
Du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen, wie sich die Dinge, die du auf der astralen Ebene erschaffst, manifestieren. Mach dir nur immer wieder ein Bild von dem, was du dir wünschst, behalte das Endergebnis im Sinn. Bald werden sich dir die Möglichkeiten, mit denen du dies erreichen kannst, auftun – vielleicht in einem Traum, beim Aufwachen, in einem Augenblick der Einsicht oder in einem Tagtraum. Dann werden dir die einzelnen Schritte klar. Um etwas zu erreichen, muß man einfach nur einen Schritt nach dem anderen tun: ein Telefonanruf, eine Verabredung, eine Seite schreiben, eine Broschüre entwerfen, usw. Visualisiere immer wieder dein Ziel und vertraue darauf, daß dich deine Intuition zu diesem Ziel führt.
Der dritte Körper ist der höchste und wunderbarste von allen: er enthält alles, er verbindet uns mit dem gesamten Universum, der allumfassende Körper „jenseits von Worten“ (im tibetischen Buddhismus Dharmakaya – der „Körper der Wahrheit“ genannt).
Sitze und entspanne dich tief … Laß alles gehen … sei still … Stimme dich auf deine Ganzheit ein, die Teil des Universums ist und sich nicht von ihm unterscheidet
Konzentriere dich auf deine höchste spirituelle Natur … Sie ist der Ursprung der Schöpfung …
Such dir aus den folgenden Worten die aus, die bei dir den meisten Widerhall erzeugen, und sitze mit ihnen in Stille:
– Ich bin die letzte Wahrheit jenseits aller relativen Wahrheiten, jenseits aller Worte …
– Ich bin die Absolute Wirklichkeit …
– Ich bin das Bewußtsein Christi …
– Ich bin ein Buddha …-
– Ich bin schimmernde Leere … das schöpferische Vakuum … die immer leere und doch volle Saat der Schöpfung …
– Ich bin was ist …
– Ich bin Teil der atomaren Einheit jeder Schöpfung …
– Ich bin das Jenseits …
– Ich bin der Ursprung …
– Ich bin Ewigkeit …
– Ich bin das himmlische Königreich …
– Ich bin mein eigenes, wahres Wesen …
– Ich bin mein höchstes Selbst …
– Ich bin reine Glückseligkeit …
– Ich bin Eins und Alles …
Laß dir Zeit, um aus dieser tiefen Meditation zurückzukehren. Sitze einfach eine Weile in Stille, hege und pflege deine drei wunderbaren Körper.
Die Regenbogenlicht-Meditation
(Lama Ole Nydahl)
Wir sitzen so angenehm, wie wir können. Unsere Hände ruhen im Schoß, die Rechte in der Linken, die Daumen berühren sich leicht. Der Rücken ist gerade, ohne steif zu sein, und das Kinn ist leicht eingezogen.
Zuerst beruhigen wir den Geist. Wir spüren den formlosen Luftstrom, der an der Nasenspitze kommt und geht, lassen Gedanken und Geräusche einfach vorbeiziehen, ohne an ihnen zu haften.
Wir wollen nun meditieren, um den Geist zu erfahren und Abstand zu den eigenen Störungen zu gewinnen. Nur dann können wir anderen wirklich nützen.
In der Mitte unserer Brust auf Herzenshöhe entsteht jetzt ein kleines Regenbogenlicht. Es dehnt sich in unserm Körper immer weiter aus. Wie es uns ganz auffüllt, lösen sich alle Leiden, Schwierigkeiten und Hindernisse auf.
Dann strahlt das Licht aus unserem Körper in alle Richtungen hinaus und verbreitet sich im ganzen Raum. Dadurch lösen sich sämtliche Leiden aller Wesen auf, und die Welt ist grenzenloses Glück.
Wir befinden uns in einem reinen Land voll unbegrenzter Möglichkeiten. Alles hat befreiende Bedeutung. Das Licht strahlt so lange, wie wir es wünschen, aus uns heraus.
Beim Beenden der Meditation bleiben wir in diesem Zustand, so gut es geht.
Schließlich wünschen wir, daß all das Gute, was hier geschah, grenzenlos wird, zu allen Wesen überall hinausstrahlt, ihnen das Leid nimmt und dafür das einzige Dauerglück gibt, das Erkennen des eigenen Geistes.
*
Die Meditation auf den Atem
(Lama Ole Nydahl)
Wir sitzen so gerade wie möglich, ohne steif zu sein. Jetzt achten wir auf den Körper und versuchen, überall entspannt zu sein – Rücken, Bauch, Schultern, Hände und Arme, Nacken und Kopf. Auch das Gesicht ist entspannt, unsere Augen sind leicht geschlossen. Die Lippen liegen aufeinander.
Wir achten auf den Luftstrom, der an der Nasenspitze kommt und geht, und atmen ein paar Mal tief durch. Nun geht unsere Aufmerksamkeit auf den Atem, entweder im Bereich der Nase oder dem Bauch. Dabei können wir mitzählen von 1 bis 21 und dann wieder von vorne, oder wir denken jedes Mal „ein“, „aus“. Unser Atem ist ganz natürlich und einfach so, wie er gerade ist. Atmen wir schnell, dann eben schnell, und atmen wir langsamer, so ist das vollkommen in Ordnung. Wir beobachten den Atem so, wie er ist, und zählen ihn mit. Kommt eine Ablenkung in den Geist oder schweift er ab, so nehmen wir dies ganz einfach zur Kenntnis und kehren zu unserem Atem zurück. Mit einer inneren Stimme können wir auch, wenn wir dies wollen, „Gedanke“ oder „abgeschweift“ sagen.
(nun den Atem beobachten)
Und unsere Gedanken kommen und gehen, spielen in Vergangenheit und Zukunft. Wir nehmen dies einfach zur Kenntnis, und unsere Aufmerksamkeit kehrt zum Atem zurück. Wir atmen ein und aus, unser Bauch füllt und leert sich mit Atemluft.
(weiter den Atem beobachten)
Unser Geist kennt das Abgelenktsein. Und wenn wir ihn dabei ertappen, so kehren wir einfach zu unserem Atem zurück: „einatmen“, „ausatmen“…
(weiter den Atem beobachten)
Nun kehren wir langsam zurück, öffnen unsere Augen und nehmen die Welt um uns herum wieder wahr. Wir beenden unsere Meditation.
*
Die Meditation des Gebens und Nehmens
(Lama Ole Nydahl)
Ziel dieser Meditation ist es, gute Eindrücke in den Geist zu säen, damit man später die Fähigkeit hat, anderen selbstverständlich nützen zu können.
Wir spüren den formlosen Luftstrom, der an der Nasenspitze kommt und geht, und lassen Gedanken, Gefühle und Geräusche einfach vorbeiziehen, ohne an ihnen zu haften.
Wenn der Geist ruhiger geworden ist, nehmen wir Zuflucht zu Buddha (dem Ziel), zur Lehre und zu den Freunden auf dem Weg. Wir wollen jetzt meditieren, um allen Wesen nützen zu können und um die Unwirklichkeit aller bedingten Zustände zu verstehen.
Nun erleben wir die Leiden aller Wesen als schwarze Wolken um sie herum. Dieses schwarze Licht atmen wir natürlich und ohne Anstrengung in uns ein. Wenn es im Herzen ankommt, wird es in einem Augenblick zu strahlendem, klarem Licht, das wieder mit unserem Atem durch die Nase auf die Wesen ausströmt. Es verbreitet sich über sie und gibt allen jedes Glück. Das machen wir so lange, wie es angenehm ist.
Am Ende wünschen wir, daß all das Gute, das hier aufgebaut wurde, allen Wesen nützen möge.
*
Die 16.-Karmapa-Meditation
(Lama Ole Nydahl)
Wir spüren, wie der formlose Luftstrom unseres Atems an der Nasenspitze kommt und geht. Dabei lassen wir Gedanken und Geräusche vorbeiziehen, ohne sie zu beurteilen.
Danach beschäftigen wir uns kurz mit den Vier Grundgedanken, die den Geist auf Befreiung und Erleuchtung ausrichten:
1). Wir erkennen unsere kostbare Möglichkeit, zahllosen Wesen mit den Mitteln eines Buddhas nützen zu können. Nur wenige begegnen seinen Lehren, und noch weniger sind fähig, sie zu verwenden.
2). Wir erinnern uns der Vergänglichkeit aller Dinge: Nur die offene, klare Unbegrenztheit des Geistes ist dauerhaft. Niemand weiß, wie lange die Bedingungen bleiben werden, um sie zu erkennen.
3). Wir denken über Ursache und Wirkung nach, darüber, daß wir selbst bestimmen, was geschieht. Frühere Taten, Worte und Gedanken wurden zu unserer heutigen Welt. Wir säen ständig die Samen für unsere Zukunft.
4). Schließlich machen wir uns klar, warum wir mit dem Geist arbeiten: Erleuchtung bedeutet zeitlose höchste Freude, und wir können nur wenig für andere tun, solange wir selbst verwirrt sind oder leiden.
Zuflucht und Erleuchtungsgeist
Da wir die Welt nicht immer so erleben, wie wir es möchten, öffnen wir uns denen, die uns das lehren können:
Zum Besten aller Wesen nehmen wir Zuflucht:
1). zum Ziel, Buddha, dem erleuchteten Zustand unseres Geistes;
2). zu den Lehren, Dharma, die uns dahin führen;
3). zur verwirklichten Sangha, den Freunden, der Mönchsgemeinde, auf dem Weg;
4). und vor allem zum Lama, der Segen, Mittel und Schutz in sich vereint.
Vergegenwärtigung
Jetzt verdichtet sich vor uns aus dem Raum, die goldene, durchsichtige Form des 16. Karmapa, ein strahlendes Kraftfeld aus Energie und Licht. Er trägt die Schwarze Krone, die die tiefsten Zustände der Offenheit in uns erwecken kann. Sein Gesicht ist golden und mild. Karmapa sieht uns und wünscht uns jedes Glück.
Seine Arme sind am Herzen gekreuzt. Er hält Dorje und Glocke, die Zeichen für Mittel und Weisheit, für Freude und Raum.
Karmapa sitzt in voller Meditationshaltung und ist von Regenbogenlicht umgeben. Wir verstehen, daß er kein begrenztes Wesen ist, sondern ein Ausdruck der Wahrheit des Raumes und der Geist aller Buddhas. Karmapa ist da, ob wir ihn klar erfahren können oder nicht. Wir wünschen zutiefst, seine Fähigkeiten zum Besten aller zu verwirklichen.
Karmapa kennt unseren Wunsch. Er lächelt und kommt immer näher auf uns zu. Er bleibt in einem angenehmen Abstand im Raum vor uns.
„Lieber Lama, Essenz aller Buddhas, bitte zeig uns die Kraft, die die Unwissenheit und Verdunkelung von allen Wesen und uns selbst entfernt. Mögen wir das zeitlose Klare Licht des Geistes erkennen.“
Nun strahlt aus Karmapas Stirn ein kraftvolles durchsichtiges Licht in unsere Stirn und füllt unseren Kopf auf. Das Licht entfernt alles Störende im Gehirn, in den Nerven und in den Sinnen. Alle schädlichen Gewohnheiten und Krankheiten verschwinden. Unser Körper wird ein bewußtes Mittel, um den Wesen Liebe und Schutz zu geben. Während wir im durchsichtigen Licht verweilen, erleben wir die innere Schwingung der Silbe OM.
Jetzt strahlt aus Karmapas Kehle ein kraftvolles rotes Licht in unseren Mund und Hals. Dieses durchsichtige Licht löst alle Schwierigkeiten in unserer Rede auf. Eindrücke aus groben und leidbringenden Worten verlassen uns, und unsere Rede wird zu Mitgefühl und Weisheit – sie wird ein bewußtes Mittel, um anderen zu helfen. Ungetrennt vom roten Licht hören wir die tiefe Schwingung der Silbe AH.
Nun strahlt aus Karmapas Herzzentrum in der Mitte seines durchsichtigen Körpers ein kraftvolles blaues Licht in die Mitte unseres Brustkorbes und füllt sie ganz auf. Dadurch verschwinden alle Hindernisse im Geist. Störende Gefühle und steife Vorstellungen lösen sich auf, und unser Geist wird ursprüngliche Freude: Raum und Freude untrennbar. Mit dem blauen Licht zusammen schwingt die Silbe HUNG.
Jetzt strahlen die drei Lichter gleichzeitig in uns hinein: Durchsichtiges Licht in unsere Stirn, rotes in die Kehle und blaues ins Herzzentrum; so erfahren wir das Große Siegel und verweilen in Karmapas Zustand. (Halte die drei Lichter)
Nun verwenden wir eine Schwingung, die äußere und innere Wahrheit miteinander verbindet: Während der Wiederholung des Mantras „KARMAPA TSCHENNO“ erreichen wir die Tatkraft der Buddhas zum Besten aller.
„KARMAPA TSCHENNO“ … (Wiederhole diese Mantra einige Minuten lang).
Verschmelzung und Sichtweise
Schließlich lösen sich die goldene Form Karmapas und die Schwarze Krone in Regenbogenlicht auf. Es strahlt in uns hinein – und jede Form verschwindet.
Nun gibt es nur noch Bewußtheit, jenseits von Mitte und Grenze, zeitlos und überall. Alles, was im Geist erscheint, ist das freie Spiel des Raumes. (Halte diesen Zustand, solange es leicht geht.)
Aus dieser offenen Weite heraus verdichtet sich eine reine Welt, schön und vollkommen. Jedes Atom schwingt vor Freude und wird zusammengehalten von Liebe. Alles ist frisch und neu, voll unbegrenzter Möglichkeiten. Die Wesen nah und fern entstehen als weibliche oder männliche Buddhas, ob sie es wissen oder nicht. Geräusche sind Mantras und Gedanken Weisheit, bloß weil sie geschehen können.
Nun entsteht auch der eigene Körper aus dem Raum, voller Kraft und Freude.
Es besteht jedoch ein großer Unterschied zu vorher: Früher waren wir unser Körper. Wir waren durch Alter, Krankheit, Tod und Verlust verwundbar. Jetzt haben wir den Körper. Körper und Rede sind unsere Mittel, um anderen zu nützen. Was wir wirklich sind, und wir wissen das jetzt, ist das Klare Licht, das bewußt war, auch als es keine Form gab.
Widmung
Wir entscheiden uns, diese Reine Sicht in allen Lebenslagen beizubehalten, und wünschen nun, daß die guten Eindrücke, die gerade entstanden sind, grenzenlos werden. Mögen sie allen Wesen das einzige dauerhafte Glück bringen, das Erkennen der Natur des Geistes.
*
Selbstreinigungsmeditation durch Kuan Yin
(Bodhisattva des Mitgefühls)
(John Blofeld)
„Hier bin ich, die Füße fest auf dem Weg, aber blockiert von gewaltigen Unzulänglichkeiten, die aus der Last meines Karma erwachsen. Während der zurückliegenden Zeit habe ich oft meine Gedanken bei der yogischen Meditation herumwandern lassen oder die Meditation nur oberflächlich vollzogen. Viele, viele Male bei Tag oder Nacht, wenn ich nicht mit der Meditation befaßt war, habe ich meine Achtsamkeit nicht aufrechterhalten und mir selbst erlaubt, mich in einer Weise zu benehmen (man kann sie spezifisch benennen), die einem Anhänger des Weges schlecht ansteht. Alle meine ungeschickten, Karma-erzeugenden Aktionen des Körpers, der Rede und des Geistes bedauere ich aufrichtig. Ich sehne mich danach, frei von ihren Auswirkungen zu sein, um die Erleuchtung eher zu erreichen und damit eine unversiegbare Quelle der Weisheit und des Mitleids zu werden, wie sie von den Myriaden Wesen so bitter benötigt wird, die hilflos im Kreislauf von Geburt und Tod herumgewirbelt werden.“
(Bedenke dabei, daß Reue nicht egoistischen Betrachtungen der eigenen Situation und ihren schmerzlichen Seiten entspringen sollte, sondern dem Streben, eine unbegrenzte Hilfe für andere zu werden.)
Nachdem der Übende voller Bedauern über diese Dinge nachgedacht und sich fest entschlossen hat, es von jetzt an besser zu machen, ruft er Kuan Yin an, indem er immer und immer wieder die Formel Ehre sei Kuan Yin, dem Bodhisattva des Großen Mitleids oder Na-mo Ta-pei Kuan-Shi-Yin P`u-sa wiederholt. Er rezitiert die Anrufung langsam und feierlich und visualisiert ein stilles Meer, das sich nach allen Richtungen hin ausdehnt, und in der Mitte sitzt er selbst, als treibe er gewichtslos auf dem Wasser.
Ein voller Mond, der gerade erst aufgegangen ist, und sich noch nicht weit über den Rand des Ozeans erhoben hat, beleuchtet mit sanftem Schein die Szene. Bald darauf erscheint in ihm Kuan Yin Bodhisattva in der Gestalt einer schönen Frau in weißen Gewändern, während die Mondscheibe sich in einen Strahlenkranz aus weißem Licht verwandelt, das von ihrem Körper ausstrahlt. Wie auch ihre Gewänder besitzt ihr Körper einen eigenen Glanz. Ihre Füße stehen auf einer riesigen weißen Lotusblüte, deren Blütenblätter rosig getönt sind. Nach einiger Zeit gleitet der Lotus sanft über die Wellen, bis Kuan Yin nur eine Schrittlänge vom Übenden entfernt ist und mit einem freudigen Lächeln auf ihn herniederblickt. Als nächstes entströmt ihrer Stirn eine langanhaltende Flut blendend weißen Lichts, tritt durch den Scheitel des Übenden in seinen Kopf ein und dringt langsam abwärts. Dabei verdrängt das weiße Licht alle Übel, die Geist und Körper des Übenden heimsuchen – zahllose Unzulänglichkeiten, die zu Karma-schaffenden Aktionen führen und damit zu endlosem Wandern im Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, wie auch Schmerzen, Kummer, Ängste, ungezügelte Leidenschaften, Unwissenheit, Dummheit und jede Art von geistiger und körperlicher Krankheit. Diese visualisiert er jetzt als Strom einer üblen schwarzen Flüssigkeit, die aus dem unteren Teil seines Körpers austritt, in den Ozean unter ihm hinabsinkt und gierig von einer Meute von Dämonen in der Gestalt scheußlicher Meeresungeheuer verschlungen wird, die aus allen Richtungen herbeieilen. (Dieser Teil der Visualisation sollte auf keinen Fall weggelassen werden, damit nicht die ausgestoßenen Übel die Umgebung vergiften und irgendeinem kleinen Geschöpf, das gerade anwesend sein mag, Schaden zuzufügen.)
Nachdem das weiße Leuchten nach und nach bis zu den Finger- und Zehenspitzen des Übenden vorgedrungen ist und jeden Winkel seines Wesens ohne Ausnahme erfüllt hat, gleicht er einem Kristallgefäß, das bis zum Rand mit blendendem Glanz gefüllt ist. In diesem Zustand verharrt er einige Zeit und erfreut sich des Mitgefühls, das so großzügig und freudig gewährt wurde, und er fährt ohne Pause mit der Anrufung fort, die bis zum Ende der Rituals nicht aufhören sollte. (Zur Abwechslung kann er, wenn er will, mit einer drei- neun- oder einundzwanzigmaligen Anrufung beginnen, dann stattdessen das Mantra OM MANI PADME HUM rezitieren und erst am Ende wieder zur Anrufung zurückkehren, wenn er sich zu den Niederwerfungen erhebt.)
Wenn die ruhige, von Freude erfüllte Kontemplation des Bodhisattva Kuan Yin so lange wie möglich beibehalten wurde, läßt der Übende ihren Körper vor seinem inneren Auge allmählich blasser werden, bis er schließlich nicht mehr von dem mondartigen Strahlenkranz zu unterscheiden ist, der sich dann zu einem Punkt weißen Feuers zusammenzieht und binnen kurzem verschwindet. Danach bleibt er noch einige Zeit sitzen und gibt sich einem Gefühl der Gewichtslosigkeit und der Freiheit hin, das so stark ist, daß er sich geradezu zurückhalten muß um nicht zu levitieren oder auf und davon zu fliegen. Auch wenn der Impuls zur Levitation sehr stark ist, sollte er ihm widerstehen, da es auf dieser Stufe nicht angebracht ist, solch einem Gefühl freien Lauf zu lassen.
Um das Ritual zu beenden, zieht er sich aus seiner Visualisation zurück, steht auf und vollzieht drei Niederwerfungen, verbunden mit der Invokation der Kuan Yin und der innigen Sehnsucht nach dem Glück und Wohlergehen aller Wesen. Zum Abschluß macht er drei weitere Niederwerfungen zu Ehren des Dreifachen Juwels.
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Kuan Yin Meditation (Bodhisattva des Mitgefühls)
(John Blofeld)
„Ich und alle fühlenden Wesen waren von anfangloser Zeit an mit vielen Arten von Aktivitäten befaßt, die schlechtes Karma erzeugen und die Erleuchtung verhindern. Ohne um die Buddhas und um den Weg zur Befreiung zu wissen, sind wir durch wiederholte Geburten und Tode gewandert und hatten keinerlei Kenntnis von den wundervollen Lehren de Shakyamuni Buddha. In der Gegenwart der Bodhisattva des Mitleids und der Buddhas der zehn Bereiche des Universums gebe ich im Namen aller fühlenden Wesen meiner Reue über alle diese Fehler Ausdruck und habe nur den Wunsch, ihnen beizustehen, auf daß sie die Hindernisse auf dem Weg zur Erleuchtung überwinden mögen.“
Immer noch sitzend rezitiere das folgende Herz-Sutra dreimal langsam und mit klarer Einsicht in seine esoterische Lehre:
„Ehre sei dem Sutra des Herzens der Höchsten Weisheit! Avalokiteshvara Bodhisattva erkannte während der tiefen Übung der Höchsten Weisheit, daß alle fünf Aggregate leer sind, und gelangte dadurch über alle Arten des Leidens hinaus. O Sariputra, die Form unterscheidet sich nicht von der Leere, noch die Leere von der Form. Form ist Leere; Leere ist Form. Dasselbe gilt für Gefühle, Wahrnehmungen, Konditionierungen und Bewußtsein. Sariputra, alle diese sind durch Leerheit gekennzeichnet; weder kommen sie ins Sein, noch hören sie auf zu sein, weder sind sie unrein noch rein, weder nehmen sie zu, noch nehmen sie ab. Deshalb gibt es in der Leere keine Form, keine Gefühle, keine Wahrnehmung, keine Konditionierung oder Bewußtsein, keine Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper oder Geist; keine Form, keinen Klang, keinen Geruch, keinen Geschmack, keine Berührung, keinen Gedanken; noch irgend etwas anderes vom Seh-Bewußtsein bis zum Denk-Bewußtsein. Es gibt weder Unwissenheit noch Erlöschen der Unwissenheit noch irgendein anderes (der zwolf Glieder der Kette bedingten Entstehens) bis zu Verfall und Tod. Es gibt kein Leiden, keine Ursache, kein Heilmittel, keinen Pfad (dafür). Es gibt keine Weisheit, kein Erlangen. Weil es nichts gibt, das man erlangen könnte, sind die Bodhisattvas, die sich an diese höchste Weisheit halten, frei von Behinderungen des Geistes. Da sie diese Behinderungen nicht haben, haben sie keine Furcht, sind fei von aller Beunruhigung und Verblendung und erlangen schließlich das Nirvana. Wie sie sich auf diese höchste Weisheit stützen, erreichen alle Buddhas der Gegenwart und der Zukunft die Vollkommene Erleuchtung, wie sie sie in der Vergangenheit erreichten. Deshalb wissen wir, daß die höchste Weisheit ein großes und heiliges Mantra ist, ein großes Mantra des Wissens, ein unübertroffenes Mantra, dem nichts gleichkommt. Es kann jegliches Leiden wahrhaftig und unfehlbar beenden. Deshalb rezitiere dieses Mantra der Höchsten Weisheit so. „Gate, gate, paragate, parasamgate, bodhi, svaha!“ (Gegangen, gegangen, hinübergegangen, ganz hinübergegangen! Erleuchtung! Svaha!)
Ehre sei dem Sutra des Herzens der höchsten Weisheit.“
Immer noch sitzend, läßt man die Visualisation des Bodhisattva in seiner tausendäugigen und tausendarmigen Form im Bewußtsein verblassen, um der folgenden Visualisation Raum zu geben. Das, was als nächstes kommt, ist der wichtigste Teil des yogischen Rituals.
Versuche, reine Leere zu visualisieren – Nichts, Leerheit. Dann wird diese Leerheit vom Bild eines Ozeans ersetzt, der von einem knapp über dem Horizont stehenden Vollmond beleuchtet wird. Das Meer ist silbrig mit kleinen, weiß gekrönten Wellen, der Himmel blauschwarz, der weiße Mond hell, aber nicht blendend. Du schaust lange den Mond an und fühlst dich zunehmend ruhig und glücklich. Dann zieht sich der Mond zusammen und wird dabei immer heller, bis er einer Perle gleicht, die so hell ist, daß man sie kaum ansehen kann. Nach einiger Zeit dehnt sich die Perle aus, bis sie keine Perle mehr ist, sondern ein Strahlenkranz, in dessen Mitte eine wunderschöne Frau steht, in glänzendes Weiß gehüllt und mit den Füßen auf einem Lotus stehend, der auf den Wellen schwimmt. Jede Einzelheit ist deutlich sichtbar, da ihr Gesicht und ihre Gestalt von dem strahlenden Glorienschein beleuchtet wird; selbst ihre Gewänder strahlen Licht aus. Du hast nicht länger das Gefühl, daß zwischen dir und dem Bodhisattva Kuan Yin das breite Band des Meeres liegt. Auf geheimnisvolle Weise ist sie in deine nächste Nähe gerückt. Ihr Lächeln und ihr gesamter Ausdruck offenbaren die Freude, die sie in der Gesellschaft jener empfindet, die sie angerufen haben, um die Macht des Mitgefühls heranzuziehen. Wenn du sehr ruhig bleibst, nur immer und immer wieder ihren Namen flüsterst und keinen Versuch unternimmst sie zum Bleiben zu drängen, wird sie vielleicht nach ihrem eigenen Belieben für eine, wie es dir erscheint, lange, lange Zeit bleiben. Dann wird sich ihre ganze Gestalt zur Größe eines Staubkörnchens zusammenziehen und schließlich zusammen mit dem Himmel und Meer verschwinden. Alles, was dann bleibt, ist herrlicher, strahlender Raum, der sich nach allen Seiten ohne Ende erstreckt. Diese Vision von Raum wird lange bestehen bleiben, wenn du einen so selbstvergessenen Zustand erlangt hast, als wärest du mit ihm in Subjekt-Objekt-loser Einheit vereint. An diesem Punkt sollte es keinen Gedanken wie „ich schaue den Raum“ geben- da ist nur Raum, kein Ich.
Abschluß des Rituals. Rezitiere stehend die Formel:
„Ehre sei dem Bodhisattva des großen Mitleids Kuan Yin
oder Na-mo Ta-pei Kuan-Shih-Yin P`u-sa“
(dreimal, jedesmal in Verbindung mit einer Niederwerfung)
„Wir nehmen unsere Zuflucht zum Buddha“
(eine Niederwerfung)
„Wir nehmen Zuflucht zum Dharma“
(eine Niederwerfung)
„Wir nehmen Zuflucht zum Sangha“
(eine Niederwerfung)
(Ende des Rituals)
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Vajrasattva-Meditation
(Vajrasattva ist die Verkörperung der Reinheit aller Buddhas)
Der Ursprung dieser Meditation stammt aus „Die sechs Yogas“ von Naropa und geht zurück bis auf den Buddha Shakyamuni
(Lama Thubten Yeshe)
Visualisiere, daß Vajrasattva und seine Gefährtin auf einem Lotus und einem Mondkissen über deinem Kopf sitzen. Ihre Körper sind aus strahlend weißem Licht. Mache dir bewußt, daß beide, der weibliche und der männliche Teil, den gleichen Verwirklichungsgrad haben.
Für den Prozess der Läuterung gibt es drei verschiedene Visualisierungen, die jeweils mit der Mantrarezitation einhergehen:
Bei der ersten Art von Visualisierung fließt weißer Nektar – der Milch oder flüssigem Joghurt gleicht – mit großer Kraft von den Herzen des Vajrasattva-Paares. Er fließt durch ihre Zentralkanäle nach unten zu ihren miteinander verbundenen unteren Chakren und dann weiter durch die Mondscheibe und den Lotus. Wie ein mächtiger Wasserfall, der aus großer Höhe herunterfällt, tritt der Nektar durch deinen Scheitel ein und stürzt deinen Zentralkanal hinunter. Dabei reinigt er dich vollkommen. All deine grobe negative Energie, dein innerer Unrat wird in Form von Schlangen, Skorpionen, Würmern, Ameisen oder was immer dir angemessen erscheint, durch die Öffnungen deines Unterleibs nach draußen getrieben. Oder du stellst dir vor, das Negative verschwinde in Form in Form von Hähnen, Schweinen und Schlangen, die die drei Geistesgifte Begierde, Unwissenheit und Hass symbolisieren. Jegliche grobe, negative Energie wird gereinigt und verschwindet in der Erde.
Bei der zweiten Methode fließt der glückselige Nektar, der von dem Vajrasattva-Paar kommt, in deinen Zentralkanal und füllt dich von unten bis zum Scheitel. Stelle dir vor, daß deine unreine Energie durch den Nektar nach oben geschwemmt wird und durch die Nasenlöcher und den Mund austritt – so wie Wasser, das in ein schmutziges Glas gegossen wird, den Schmutz nach oben spült. Die zweite Methode ist genauer als die erste.
Wendest du die dritte Methode an, so visualisierst du Lichtenergie statt Flüssigkeit. Das kraftvolle, Glückseligkeit spendende Licht ist weiß, schimmert aber in allen Regenbogenfarben. Im Nu hat es deine innere Dunkelheit vertrieben. Die Dunkelheit in deinem Hirnchakra, deinem Kehlchakra, deinem Herzchakra und überall sonst verschwindet spurlos. Die nicht-funktionierenden Teile deines Gehirns und Nervensystems werden aktiviert, und es gibt keinen Raum mehr für die Unreinheiten des Körpers, der Rede und des Geistes. Dein ganzer Körper wird so durchscheinend wie Kristall.
Diese drei Visualisierungen sind die zentralen Meditationen, die die Rezitation des Vajrasattva-Mantra begleiten. Sie haben sehr gute Auswirkungen, daher sollt ihr sie praktizieren.
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Guruyoga-Meditation
(Vajradhara ist der tantrische Aspekt des Buddha Shakyamuni)
(Lama Thubten Yeshe)
Bei der Guruyoga-Meditation visualisiert ihr, daß sich die Essenz des eigenen Guru in der Form Vajradharas im Raum der Nichtdualität vor euch manifestiert. Guru Vajradhara sitzt auf einem Lotus und einem Sonnensitz, die auf einem von acht Schneelöwen getragenen Thron liegen. Sein Körper ist von leuchtend blauer Farbe, er hält einen Vajra und eine Glocke und umarmt eine Gefährtin von gleicher Farbe. Der Anblick der strahlend blauen Lichtkörper dieses Paares im Raum läßt große Glückseligkeit und die Weisheit der Nichtdualität in euch entstehen. Blaues Licht und Raum erinnern uns automatisch an die Nichtdualität.
An ihrem Scheitelchakra befindet sich ein Mondkissen, auf dem eine weiße Silbe om steht, an ihrem Kehlchakra ein Lotuskissen mit einem roten ah und an ihrem Herzchakra ein Sonnenkissen mit einem blauen hum.
Denkt über Vajradharas große Güte nach und darüber, wie er sich für euch einsetzt; wie man das macht, wird in den Lamrim-Lehren erklärt. Obwohl Guru Vajradhara weder euer Vater noch eure Mutter ist und auch nicht euer Gatte, eure Gattin, euer Freund oder eure Freundin, sorgt er sich doch sehr um euer Wohlergehen. Es ist so, als sei er nur für euch da.
Durch die Erkenntnis, daß Vajradhara seinem Wesen nach euer eigener Wurzelguru ist, entsteht ein Gefühl großer Nähe in euch, und ihr merkt, wie gütig er zu euch persönlich ist. Und wenn ihr den Guru in der Form von Vajradhara visualisiert, ist das sehr inspirierend und läßt schnell Verwirklichungen entstehen.
Von der Silbe hum im Herzen Vajradharas strahlt Licht in alle zehn Richtungen aus. Auf jedem Lichtstrahl können wir einen der Lamas der Überlieferungslinie der Sechs Yogas von Naropa visualisieren – zum Beispiel Tilopa, Naropa, Marpa, Milarepa, Gampopa, Pagmo Drupa, Butön oder Lama Je Tsongkhapa. Das sind die Meister, die Verwirklichungen des Inneren Feuers erlangt und die Totalität von Illusionskörper und Weisheit des klaren Lichts entdeckt haben.
Wenn ich alle diese Lamas der Überlieferungslinie visualisiere, stelle ich sie mir gerne in Mahasiddha-Form vor. Mahasiddhas haben Vajrakörper voller pulsierender, glückseliger Kundalini-Energie. Sie empfinden keinerlei Begierde für äußere Objekte, da sie vollkommene Samadhi und gleichzeitig entstandene Weisheit erreicht haben. Die Lamas der Überlieferungslinie auf diese Weise zu sehen, macht Mut und gibt Energie. Ihr bloßer Anblick bringt schon die betörende, glückselige Kundalini im Zentralkanal zum Fließen. Zwar erwähnt Lama Tsongkhapa in seiner Schrift nicht ausdrücklich, daß man die Lamas der Überlieferungslinie so visualisieren sollte, aber es steht keineswegs im Widerspruch zu seinen Anleitungen. Wir brauchen nicht anzunehmen, daß wir etwas nur deshalb unterlassen müssten, weil Lama Tsongkhapa es nicht speziell erwähnt.
Guru Vajradhara befindet sich also im Raum vor dir. Licht geht von seinem Herzen aus und strahlt in die zehn Richtungen, wo alle Lamas der Überlieferungs-linie in Mahasiddha-Form sitzen und dich aufmerksam anschauen.
An dieser Stelle kannst du das Gebet der Sieben Zweige darbringen, zusammen mit einer Mandala-Gabe sowie äußeren, inneren, geheimen und Soheits-Gaben. Opfergaben müssen nicht unbedingt gegenständlicher Art sein. Materielle Dinge, etwa Geld, herzugeben ist einfach; die eigene Praxis darzubringen ist viel schwieriger. Milarepa sagte: „Ich besitze keine weltlichen Gaben, die ich meinem Guru überreichen könnte. Ich habe nur die Gabe der Meditation.“ Das ist die allerbeste Gabe. Ernsthaft üben, im Gleichgewicht und glücklich sein und Verwirklichungen erlangen: das ist das Beste auf der Welt, was ihr eurem Guru geben könnt.
Mit der vollkommenen Überzeugung, daß Guru Vajradhara die Verkörperung von Gottheit, Daka, Dakini und Dharmaschützer ist, solltet ihr Guru Vajradhara und die Lamas der Überlieferungslinien nun inständig um die Verwirklichungen bitten, die ihr braucht. Sie geben euch die Energie und die Inspiration für die Entwicklung aller Verwirklichungen. Da wir die Sechs Yogas von Naropa praktizieren, sollten wir inständig um Erfolg bei der Meditation des Inneren Feuers und um die Verwirklichung des Inneren Feuers bitten, außerdem um Erfolg bei der Meditation über den Illusionskörper und um die schnelle Verwirklichung des Illusionskörpers sowie um eine wirkungsvolle Meditation über das Klare Licht und die Verwirklichung des Klaren Lichts. Falls ihr unter Angst oder Unzufriedenheit leidet und glückselige Kundalini-Energie braucht, bittet darum, daß euer gesamtes Nervensystem von dieser glückseligen Energie durchtränkt wird und ihr den Zustand ewiger Glückseligkeit erreicht.
Nachdem ihr diese inbrünstigen Gebete gesprochen habt, stellt euch vor, daß sich alle Lamas der Überlieferungslinie in Guru Vajradhara auflösen. Weiße, rote und blaue Lichtstrahlen gehen nacheinander von om, ah und hum aus, die sich auf dem Scheitel, in der Kehle und am Herzen von Guru Vajradhara befinden. Strahlend weißes Licht tritt in euer Scheitelchakra ein, strahlend rotes Licht in euer Kehlchakra und strahlend blaues Licht in das Herzchakra. Eure drei Hauptchakren werden von glückseligem, strahlendem Licht ausgefüllt und belebt. Stellt euch vor, daß nun alles Negative von Körper, Rede und Geist bereinigt ist und ihr die Vasen-, Weisheits- und Geheime Initiation erhaltet. Dann strömt nochmals viel strahlendes Licht von den drei genannten Chakren des Guru aus, nun allerdings alle drei Lichter gleichzeitig. Spürt, daß damit alles Negative von Körper, Rede und Geist zugleich geläutert wird und daß ihr die vierte Initiation, die des Wortes erhaltet.
Zum Abschluß der Guruyoga-Übung visualisiert ihr, daß sich Guru Vajradhara auf eurem Scheitel niederläßt und in euch sinkt. In eurem Leben gibt es zwar viele verschiedenen hilfreiche Dinge, doch sie alle kommen aus einer Quelle: Guru Vajradhara ist Guru, Gottheit, Daka, Dakini und Dharmaschützer in einem. Guru Vajradhara sinkt in eurem Zentralkanal nach unten und in euer Herzchakra. Euer Körper vereint sich mit dem Körper Guru Vajradharas, eure Rede vereint sich mit seiner Rede und euer Geist mit seiner transzendenten, glückseligen Weisheit, die die Dharmakaya-Erfahrung ist. Du erfährst die Nichtdualität.
Die Kraft der Ganzheit, ganz gleich, ob wir sie nun Gotteskraft oder Buddhakraft nennen, ist nicht irgendwo „da oben“ oder „da draußen“. Diese Kraft ist in uns allen. Das Große Mitgefühl ist in euch; Weisheit ist in euch; Gott und Buddha sind in euch. Wenn ihr der dualistischen Vorstellung anhängt, daß ihr hier unten seid und Guru Vajradhara irgendwo da oben, werdet ihr die Einheit nie verstehen. Das Guruyoga ist etwas sehr Tiefgründiges, bloße Worte reichen nicht aus, um es zu beschreiben.
Die guten Eigenschaften Guru Vajradharas lassen sich nur entsprechend der eigenen Ebene spiritueller Entwicklung ermessen. Es nützt nichts, sich unter Druck zu setzen. Sie lassen sich auch nicht rein vom Verstand her begreifen. Wenn ihr versteht, daß es viele verschiedenen Ebenen gibt, hat eure Guruyoga-Übung eine vernünftige Basis.
Im Buddhismus heißt es, man könne seine eigenen geistigen Ebenen erkennen und vielleicht ein wenig über sie hinausgehen. Wenn ihr beispielsweise die fortgeschrittene Verwirklichungs-Ebene erreicht, die man „Pfad der Anhäufung“ nennt, könnt ihr bereits ein wenig von der nächsten Stufe, dem Pfad der Vorbereitung, sehen. Erreicht ihr dann den Pfad der Vorbereitung, könnt ihr euch schon ungefähr vorstellen, wie der Pfad des Sehens beschaffen ist, denn ihr habt bereits Erfahrungen mit der Leerheit gesammelt. So geht es weiter, bis die Erleuchtung erreicht ist.
Betrachtet man beispielsweise die äußeren, inneren und geheimen Meditationen des Guruyoga von Lama Tsongkhapa, nimmt man dabei zunächst Verbindung mit der äußeren Ebene des Wissens von Lama Tsongkhapa auf. Als nächstes erreicht man einen tieferen Punkt, von dem aus man mit der inneren Ebene kommuniziert. Geht man dann noch tiefer, kann man Verbindung zur geheimen Ebene aufnehmen. Das gleiche gilt für Guru Vajradhara.
Spürt, daß es überhaupt keine Trennung zwischen euch und Guru Vajradhara gibt. Ihr dürft nicht denken: „Der Guru ist so weit oben, und ich bin so weit unten.“ Stattdessen vereint ihr euch mit Guru Vajradhara und löst ihn in euch auf. Ihr erkennt euren eigenen Geist als die Dharmakaya-Erfahrung von Guru Vajradhara. Das glückselige Weisheitsbewußtsein ist der absolute Guru, und um ihn zu erfahren, müßt ihr Guruyoga praktizieren.
Der Dharmakaya ist von Natur aus frei von allen Einbildungen und Vorstellungen, doch unser Geist ist voll davon. Stellen wir uns die Dharmakaya-Erfahrung aber vor, so inspiriert uns das und gibt uns einen Vorgeschmack – ähnlich wie wenn wir uns Käsekuchen vorstellen. Nur an den Dharmakaya zu denken, regt bereits die Dharmakaya-Erfahrung an und tilgt alle Arten von falschen Vorstellungen. Beim Guruyoga geht es vor allem darum, unseren Geist mit der absoluten Klarheit der Weisheit Vajradharas zu vereinen, die vollkommen frei von allen Einbildungen ist.
Wir müssen auch lernen, den Guru in jedem Augenblick zu erkennen. Selbst wenn wir uns in unserer egoistischsten, unglücklichsten und unzufriedensten Geistesverfassung befinden, sollten wir, statt diese noch weiter zu verfestigen, die Dharmakaya-Natur unseres Geistes erkennen, die Tatsache, daß er seinem Wesen nach die Ganzheit des Guru ist. Diese direkte, organische Energie geht in der großen Weisheit der Vereinigung auf: „Du bist der Guru, du bist Daka, Dakini und Dharmaschützer.“ Das ist die Lehre des Tantra.
Das ist so ähnlich wie im Christentum, in dem man von einem alleinigen Gott ausgeht, der das Prinzip der Ganzheit verkörpert. Im buddhistischen Tantra werden viele Gottheiten, Dakas, Dakinis und Dharmaschützer beschrieben, aber in Wahrheit sind sie alle die Verkörperung der einen Realität der Ganzheit. Indem wir uns auf den Pfad zur Erleuchtung weiterentwickeln, werden wir selbst zum Guru, zur Gottheit, zu Dakas und Dakinis und zum Dharmaschützer. Wir üben das Guruyoga, um diese Einheit zu entdecken.
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